Trauer bei Kindern: was sie brauchen und wie man sie dabei unterstützt
„Das Problem, wenn wir unsere Kinder als
allmächtig ansehen, ist, dass wir übersehen,
wie sehr sie uns wirklich brauchen“.
(Gordnon Neufeld)
Alle (oder nahezu alle) Menschen wurden im Laufe Ihres Lebens mit dem Verlust konfrontiert. Verluste können plötzlich und unerwartet oder auch geplant und vorhersehbar sein. Sie können z.B. durch Trennung (Partnerschaft, Freundschaft), Tod (Familienmitglieder, Freunde, Haustiere), Umzug, Arbeitsplatzverlust oder Schulwechsel entstehen. Dem Verlusterlebnis folgt eine Phase der Trauer, und die Tiefe der Trauer hängt oft mit der Stärke der Bindung an das was man verloren hat.
Trauer ist ein Prozess und ist in der Regel durch bestimmte Trauerphasen gekennzeichnet. Die Trauerphasen kann man in vier Zeitabschnitte unterteilen: Zeit der Verleugnung (Schock, Nicht wahr haben wollen), Zeit der Verzweiflung (Schuldgefühle, Wut, Zorn, aufbäumen gegen Schicksal), Zeit der Vereinsamung (Rückzug und Resignation) und Zeit der Vergebung (Loslassen und Akzeptanz). Obwohl es die Trauerphasen, die nahezu jeder Mensch nach und nach durchlebt, gibt, verläuft der Trauerprozess von Mensch zu Mensch unterschiedlich. So z.B. einige Menschen haben das Bedürfnis ihr Leid mit anderen zu teilen, sie zeigen offen ihre Emotionen, weinen viel und haben viel zu sagen, sie haben das Bedürfnis gehört zu werden und Mitgefühl von ihren Mitmenschen zu erfahren. Andere Menschen kehren eher in sich zurück, sie brauchen Ruhe, die Umgebung und die sozialen Kontakte werden als störend empfunden, sie reden nicht viel, und nach außen scheinen sie gut zu funktionieren. Zu gut für die Außenstehende, so dass man kaum glauben kann, dass dieser Mensch trauert. Die Innenwelt und die Schmerz bleiben vor der Außenwelt verborgen.
Jeder hat seine eigenen Lösungsstrategien für den Umgang mit bestimmten Situationen, so auch bei Trauer. Es sehr wichtig nicht zu vergessen, dass nur wenn der andere anders trauert als man selbst, oder als das was man gesellschaftlich für angemessen hält, heißt es lange noch nicht, dass der andere Mensch nicht oder weniger trauert als man selbst.
Wenn ein Verlust Erlebnis die Familie mit Kindern trifft, ist es nicht anders. Die Kinder und Erwachsene können ganz unterschiedlich auf Verlusterlebnisse reagieren. In der Situation mit Kindern ist es besonders wichtig für die Eltern und nahen Bezugspersonen, die Kinder nicht aus den Augen zu verlieren, vor allem weil eigenes Leid so groß ist. Durch Verlust bricht die Welt des Kindes auseinander, es muss mit der neuen Situation umgehen können, das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit wird stark erschüttert, in manchen Situation verliert das Kind einer der Bezugspersonen oder muss sich für eins der Eltern entscheiden, wo eine starke Bindung bestand und somit entsteht eine großes Loch, dass gefüllt werden muss.
Da die Kinder die Eltern bedingungslos lieben und haben ein starkes Bedürfnis geliebt, gesehen und angenommen zu werden, greifen sie zur Strategien um diese Liebe zu erlangen, wenn es ihrer Sicht gefährdet ist. Kinder kooperieren, denn sie wollen, dass ihre Eltern glücklich sind, sie bemühen sich in schwierigen Lebenssituationen die Last der Eltern zu lindern und oft kommt es sogar zur Situationen, dass Kinder die Rolle der Erwachsenen unbewusst übernehmen. So kann es passieren, dass die Kinder sich um die Eltern kümmern, denn sie fest davon überzeugt sind, dass die Eltern, sie nur dann lieben, wenn sie gut, artig, liebevoll, hilfsbereit und und und … sind.
Dieses Hilfsangebot seitens der Kinder anzunehmen ist sehr verlockend und allzu leicht, aber die Kinder zahlen einen hohen Preis dafür in ihrem späteren Leben. Aus solchen Situationen entstehen dann die Glaubenssätze wie „Meine Gefühle sind nicht wichtig“ , „ich bin nicht gut genug“, „das Glück der anderen hängt von mir ab“, „ich muss mich anstrengen um geliebt zu werden“, „ich bin unsichtbar“, „ich darf nicht auffallen“. Solche Glaubenssätze sind wie Gift für die Seele, mindern das Selbstwertgefühl und beeinflussen die Verhaltensweisen im späteren Leben.
Wenn unterdrückt wird Trauerverarbeitung im späteren Verlauf einen Ausweg finden, wie sie sich zeigen kann. Die unverarbeitete Trauer kann zu Depressionen, Ängsten, Essstörungen oder Süchten führen. Es kann auch in körperlichen Beschwerden sich ausdrücken, wenn das Kind z.B. häufiger krank wird, um Durst nach Liebe und Zuwendung zu stillen. Oft passiert es zeitversetzt und schleichend, so dass der Bezug zum Verlusterlebnis nicht immer einfach herzustellen ist. Die Trauer, das dahinter stehende Leid wollen gesehen und wahrgenommen werden. Die Trauer hat es verdient durchlebt zu werden. Auch wenn es zeitversetzt passiert, kann die Trauerverarbeitung einen ersten Schritt Richtung Heilung bedeuten. Die Trauer zu durchleben, es zu verarbeiten, sich nicht vor eigenen Gefühlen zu verstecken oder diese zu verdrängen, sich Zeit und Raum zu lassen, ist sehr wichtig und kann vor Entstehung der Krankheiten auf physischer und psychischer Ebene schützen.
Aus meiner Sicht, ist es enorm wichtig, dass die Eltern die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen. Es ist nicht einfach für betroffene Erwachsene sich in der Trauer noch um die Kinder zu kümmern, denn man läuft manchmal die Gefahr selbst in dieser Schmerz zu ertrinken. Es kostet schon einen enormen Aufwand sich um das eigene Wohl und eigene Bedürfnisse zu kümmern, sogar dazu hat man nicht immer Kraft. Wenn man mit seiner eigenen Schmerz nicht zurecht kommt, dann lohnt es sich professionelle Hilfe zu holen. Die Trauerbegleitung (egal ob bei Tod oder Trennung) kann sich seht wohltuend auf den Verarbeitungsprozess auswirken und es hilft die Kraft zu finden, sich um die Kinder zu kümmern und diese mit in den Trauerprozess einzubeziehen.
Die Kinder verdienen es gesehen zu werden, sie verdienen es wahrgenommen zu werden, sie verdienen es unterstützt, umsorgt und geschützt zu werden. In der Situation leiden die Kinder auch, und oft nicht weniger als Erwachsene, nur halt anders. Sie brauchen Halt und Unterstützung um durch diesen Prozess durchzugehen. Es hilft den Kindern, wenn die Nahestehenden ihnen zeigen und vorleben, dass trauern in Ordnung ist; zu spüren, dass egal was ist, sie werden nicht in Stich gelassen; zu wissen, dass alle Gefühle und Reaktionen, normal sind und dürfen Raum einnehmen und durchlebt werden. In Zeiten der Trauer sind die Erwachsenen wie ein Leuchtturm und Wegweise für ihre Kinder. Den Kindern Raum für ihre Gefühle, Emotionen und Bedürfnisse zu geben und diese an die Hand zu nehmen ist wichtig. Es tut den Kindern gut, beugt die Entstehung von gesundheitlichen Spätfolgen vor und stärkt die Beziehung und Bindung zwischen den Eltern und Kindern.